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Die Spezialmutter

  • Autorenbild: Jane Füllner
    Jane Füllner
  • 3. Jan. 2016
  • 3 Min. Lesezeit

Diesmal sind wir in der Station 84 - das ist hauptsächlich eine Station für kleine Patienten mit schweren Lebererkrankungen. Ab und zu kommen hierher auch Onkokinder wie wir, wenn Station 83 überfüllt ist.

Fine geht es heute schon deutlich besser und wir fahren mit der Rolli raus, um die Spielecke zu erkunden. Wir spielen eckolo. Ich wühle noch in ein paar Bücher für Jugendliche und finde zwischen einem Buch einen Zettel mit einem berührenden Text:

"Die Spezialmutter"

Die meisten Frauen werden durch Zufall Mutter, manche freiwillig, einige unter gesellschaftlichem Druck, ein paar aus reiner Gewohnheit und einige aus Erwählung und Liebe. Manche Frauen werden Mütter schwerkranker Kinder oder Kinder mit einer Behinderung.

Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, nach welchen Gesichtspunkten die Mütter dieser Kinder ausgewählt werden? Ich stelle mir Gott vor, wie er über der Erde schwebt und sich die Werkzeuge der Arterhaltung mit größter Sorgfalt und Überlegung aussucht. Er beobachtet genau und diktiert dann seinen Engeln Anweisungen ins riesige Hauptbuch: "Neumann, Lisa: Sohn. Schutzheiliger: Matthias.

Förster, Ute: Tochter. Schutzheilige: Cäcilie.

Bollmann, Karola: Zwillinge. Schutzheiliger? Gebt ihr Gerard, der ist es gewohnt, das geflucht wird." Schließlich nennt er seinem Engel einen Namen und sagt lächelnd: "Der gebe ich ein Kind mit einer kranken Leber." Der Engel wird neugierig: "Warum gerade ihr, o Herr? Sie ist doch so glücklich." "Eben deswegen", sagt Gott lächelnd. "Kann ich einem kranken Kind eine Mutter geben, die das Lachen nicht kennt? Das wäre grausam." "Aber hat sie denn die nötige Geduld?" fragte der Engel.

"Ich will nicht, dass sie zu viel Geduld hat, sonst ertrinkt sie in einem Meer von Selbstmitleid und Verzweiflung. Wenn der anfängliche Schock und Zorn abgeklungen sind, wird sie es tadellos schaffen. Ich habe sie heute beobachtet. Sie hat den Sinn für Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die bei Müttern so selten und nötig sind. Verstehst du: das Kind, das ich ihr schenken werde, bedarf einer besonderen Behandlung und Pflege. Und sie muss es zwingen vieles mitzumachen und auszuhalten, das wird nicht leicht werden."

"Aber Herr, soviel ich weiß, glaubt sie nicht einmal an dich."

Gott lächelt. "Das macht nichts, das bringe ich schon in Ordnung. Nein, sie ist hervorragend geeignet. Sie hat genügend Egoismus."

Der Engel ringt nach Luft: "Egoismus? Ist das denn eine Tugend?"

Gott nickt. "Wenn sie sich nicht gelegentlich von diesem Kind trennen kann, wird sie das alles nicht überstehen. Diese Frau ist es, die ich mit einem Kind beschenken werde, das besondere Hilfe braucht. Sie weiß es noch nicht, aber sie ist zu beneiden. Nie wird sie etwas als selbstverständlich hinnehmen. Nie einen Schritt als etwas Alltägliches. Wenn ihr Kind nach einer Lebertransplantation eine neue Lebensqualität und eine neue Perspektive hat, wird ihr klar sein, dass sie ein Wunder erlebt. Ich werde ihr erlauben, alles deutlich zu erkennen, was auch ich erkenne: Unwissenheit, Grausamkeit, Vorurteile... Und ich werde ihr erlauben, sich darüber zu erheben. Sie wird niemals allein sein. Ich werde bei ihr sein, jeden Tag ihres Lebens, jede einzelne Minute, weil sie meine Arbeit ebenso sicher tut, als sei sie hier neben mir." "Und was bekommt sie für einen Schutzheiligen?" fragt der Engel mit gezückter Feder. Da lächelt Gott. "Ein Blick in den Spiegel wird genügen." Nach Erma Bombeck "Vier Hände und ein Herz voll Liebe"/ Nachbearbeitet von Renate Brunner, Regensburg, Mai 2010

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