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Fine, du hast dich erinnert!

Es ist sehr schwer darüber zu schreiben, was passiert ist. Noch schwieriger ist es in Wörter zu fassen, welche Nachricht Fine uns hinterlassen hat. Die letzten Wochen vor ihrem Tod waren wundervoll – eher gesagt voll Wunder! Es wurde Zeit unser Ego wegzustecken und endlich zuzuhören, was ihre Seele uns zu sagen hat. Wir tanzten in ihrem Rhythmus. Sie zeigte uns den Weg...

Zwei Wochen vor ihrem Tod machte sie Vorbereitungen. Wir haben es nicht gleich verstanden, hinterher umso mehr. Sie war voller Energie und Entschlossenheit. Wir hatten mehr Hoffnung als je zuvor. Fine hatte seit Ende Mai Bestrahlung als Palliativtherapie, weil nun ein Rezidiv in der Wirbelsäule und drei im Kopf sich langsam breit machten- Lähmungsgefahr… Fine ließ sich davon nicht abhalten. Sie blieb ruhig und gelassen. Wir mussten unbedingt Muffins an das Bestrahlungsteam backen- wie immer zum Abschluss. Sie hat sie dann selber verziert mit Schoko- und Zuckerstreusel. Wir waren in der Stadt in allen ihrer Lieblingsläden, haben Leinwand gekauft, sie hat sich ein Kleid mit Federn für die Hippi-Party am Samstag ausgesucht, das ich in ein Rock umnähen musste. Wir haben in der Stadt auf dem Fenster zwei süße Hunde entdeckt und diese fotografiert. Wir haben ein Aquarium gekauft, wo eine Woche später plötzlich auch Babyfische (!) schwammen. Wir haben Ton gekauft, um an Fines Klassenkameraden zum Abschluss der 4. Klasse Anhänger zu basteln. Sie mussten nun alle in weiterführenden Schulen wechseln. 22.06 lud Fine heimlich ihre Lieblingstante aus Hamburg ein.

Der Samstag, 24.06 war mystisch – wir mussten zu Mone (unsere Beraterin bei der Krebshilfe, die vor 6 Jahren ihre Tochter verloren hat) zur Hippi-Party. Fine hat sich schick gemacht - zauberhaft in dem langen Rock mit weißen Federn, Blumenkranz aus Margeriten und Lavandelblüten und mit den rosa-lila glitzernden Fingernägeln. Tommy fuhr mit den anderen Kindern und ihrer Tante vorne weg, wir mit meinem Auto hinterher. Auf dem Weg schauten wir in den Himmel und Fine sagte irgendwann, dass ich den Engel sofort fotografieren muss: “Da ist Wenke! Du musst sie für Mone schnell fotografieren!” Ich versuchte dann den Himmel und Wolken zu fotografieren. Sie war etwas mürrisch, weil es beim Fahren nicht so gut klappte, aber die Bilder angeschaut, war sie dann doch zufrieden – der Engel war drauf. Dieser Abend war die heimliche Abschiedsfeier von Fine. Sie genoss den Abend in vollen Zügen, tanzte barfuß und sprang übers Feuer. Später am Abend bekam sie Kopfschmerzen und ich habe mich geärgert, weil ich die Schmerzmittel nicht mitgenommen hatte. Dann mussten wir fahren. Fine hielt durch.

Am nächsten Morgen schlief sie tief und fest. Am Nachmittag um 15 Uhr schlief sie immer noch. Ich habe sie dann geweckt, weil sie keine Medis genommen hatte und wahrscheinlich Hunger hatte. Fine hatte sich geändert. Sie war sehr ruhig, hatte aber über Nacht ihre Balance und die Kontrolle über ihren Körper verloren. An diesem Tag weinte ich nur. Die Wahrheit kam zu plötzlich. Fine hatte aber sich entschieden uns noch ein Stück weiter zu führen. Dieser Weg führte uns weit aus der Realität in das Jenseits. Je mehr Kontrolle Fine über ihren Körper verlor, desto stärker, klarer und weiser wurde ihr Bewusstsein. Sie sprach übers "NACH HAUSE" gehen und war voller Ungeduld. Sie hat sich geärgert, dass sie nicht gleich gehen kann und das der Weg dorthin noch zu weit ist. Sie hatte den Engel verdammt, dass der noch nicht kommt. Wir sprachen über Zeichen, wie wir sie wiedersehen können, wenn sie gegangen ist. Sie hat gesagt, sie kommt als Wind und schläft bei uns. Dass wir für immer ihre Familie bleiben und dass sie nicht hoch in den Himmel geht, sondern hier bei uns bleibt… Wer hatte denn überhaupt ausgedacht, dass der Himmel oben ist, wobei es auch hier unten um uns herum schwebt?!

Ich fragte sie, was sie mitnehmen möchte, ob ich ihr Koffer packen soll. Fine antwortete total selbstbewusst, dass sie dort, wo sie hingeht keinen Koffer braucht! Das einzige, was sie mitnehmen wollte, war ihr Hicki (das Hickmann Herzkatheter) und ihre Tumore (!).

Am Freitag, 30.06. sprach Fine über noch eine Operation – Hicki kommt noch ab, sagte sie. Sie freute sich richtig, fast euphorisch, dass sie dann wieder zu ihrer FREIHEIT gelangen darf. Wir waren da etwas verwirrt, es waren keine Operationen mehr im Sicht – aber Fine wusste Bescheid!

Ich schaute mir die Bilder an, die ich vor einer Woche von ihrem Engel im Himmel gemacht hatte und entdeckte neben dem weißen Wolkenengel in der Nähe der Erde noch einen rauchgrauen Todesengel!

Am Samstag früh, 01.07 machte Fine sich auf den Weg. Die Reise begann. Ihre Seele hatte es nicht leicht ihren Körper zu verlassen. Ich empfand es ähnlich wie eine Geburt. Ich hielt sie ab 5 Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags auf dem Schoss, bis ihre Seele zu ihrer Freiheit gelangen durfte und glitzernd ins Licht flog.

Am Abend kam die Ärztin und befreite sie tatsächlich von der Hicki.

Nach dem Abschiedsfeier und Beerdigung musste ich noch ein paar Sachen an die Pfarrerin zurück bringen. Sie lud mich zu ihr nach Hause ein. Ich ging dahin zum ersten Mal. Wir trafen uns überhaupt zum ersten Mal erst nach Fines Tod. Gleich nachdem ich die Adresse las, habe ich es verstanden – Fine hatte auch ihre eigene Beerdigung organisiert – die zwei Hunde (von dem Foto am 20.06) auf dem Fenster in der Stadt haben mich wieder begrüßt!

Fine, deine Seele hat sich erinnert, woher sie kommt! Du bist unser kleiner Engel, die auf die Erde gekommen ist, um uns die Liebe zu vermitteln. Denn wenn es nichts mehr gibt, bleibt die Liebe. Und die ist unendlich. Und du bleibst in unseren Herzen für immer...


Ich bin Fine

Hier beginnt meine Reise...

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